Karrierethemen

Paul von Preußen
Paul von Preußen: „Bei Reverse Mentoring geht es vor allem um Digitalisierung, neue Technologien und Social Media, aber auch um Employer Branding und Recruiting.“ Foto: Digital8
Reverse Mentoring

„Vom Know-how der jungen Generation profitieren“

Wie Paul von Preußen, Gründer von Digital8, die GenZ mit Führungskräften zusammenbringt und diesen dadurch eine Perspektive außerhalb ihrer „Bubble“ verschafft.

Paul von Preußen, direkter Nachfahre des letzten deutschen Kaisers, macht sich für den Austausch zwischen den Generationen stark. Mit Digital8 gründete er eine Plattform, die Digital Natives und Führungskräfte in Reverse-Mentoring-Projekten zusammenbringt, damit sie die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt gemeinsam bewältigen können.

Herr von Preußen, was steckt hinter Reverse Mentoring?
Das Gegenteil eines herkömmlichen Mentoren-Programms. Traditionell teilen die alten Hasen ihre Erfahrung mit den jungen Hüpfern. Beim Reverse Mentoring erfolgt der Wissenstransfer in umgekehrter Richtung. Inhaltlich geht es vor allem um Digitalisierung, neue Technologien und Social Media, aber auch um Employer Branding und Recruiting. Wir arbeiten mit vielen DAX-Konzernen zusammen und erleben oft, dass die Führungskräfte ihre jungen Mentoren fragen: Was müssten wir verändern, damit du zu uns kommen würdest?

Das klingt fast so, als hätte traditionelles Mentoring ausgedient.
Keinesfalls. Für Reverse Mentoring muss sich die erfahrene Generation allerdings etwas umstellen. Sie trägt ja häufig die Verantwortung und ist deshalb eher gewohnt, Antworten zu geben als Fragen zu stellen. Umso mehr kommt es darauf an, deutlich zu machen: Hier liegt der Fokus darauf, von der jungen Generation und ihrem Know-how zu profitieren.

Vom reinen Wissenstransfer abgesehen, welche Vorteile hat Reverse Mentoring?
Das hängt davon ab, ob wir ein Programm mit externen oder internen Mentoren aufbauen. Viele Führungskräfte buchen über uns Mentoren von außen, weil sie sich dadurch auch eine Perspektive von außen erwarten – und ein ehrliches Feedback. Schließlich gibt es in diesem Fall weder eine Hierarchiebarriere noch ein Abhängigkeitsverhältnis. Zudem ist die Expertise eine andere: Wenn ich Social Media lernen möchte, ist es ein großer Unterschied, ob ich mit dualen Studierenden spreche, die nebenbei ein bisschen TikTok machen, oder ob ich mit TikTok-Stars spreche, die 15 Millionen Follower haben. Externes Reverse Mentoring fokussiert also eher auf die Weiterbildung der Führungskräfte.

Ein Vorteil für die Mentees ist auch, …
… dass sie Fragen stellen können, die sie so im Konzern nicht stellen würden – und zwar in vertraulichem Rahmen. Weil oft eine Sicherheitsatmosphäre entsteht, müssen die Mentees nicht befürchten, dass irgendetwas im Flurfunk landet.

Was bringt internes Reverse Mentoring?
Dadurch können die Entscheider am Puls der jungen Generation in ihrer Organisation bleiben, während die internen Mentoren mehr Sichtbarkeit erhalten, woraus nicht selten Jobangebote resultieren. Diese Art von Reverse Mentoring wird hauptsächlich als Employer-Branding-Maßnahme genutzt. So lässt sich gut verdeutlichen, dass die junge Generation im Unternehmen gehört wird und Einfluss ausüben kann.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Implementierung im Unternehmen?
Zu den größten Herausforderungen gehört, Führungskräfte zu finden, die als Mentees fungieren wollen. Auch deshalb, weil das vorab viel Einsatz von der Personalabteilung verlangt. Sobald das Programm läuft, kann es schwierig sein, gemeinsame Termine zu finden. Wir arbeiten häufig für Entscheider auf Vorstandsebene. Da sind die Kalender voll, genauso wie bei den Mentoren. Derzeit haben wir ein Netzwerk aus 300 Mentorinnen und Mentoren, darunter junge Unternehmer mit eigenem Start-up, Social Media Stars, Landesschülersprecher, Leistungssportler, Nachwuchspolitiker, Künstler und und und.

Was sind die Voraussetzungen für gelungenes Reverse Mentoring?
Das A und O ist ein gutes Matching. Mentee und Mentor müssen thematisch und von ihren Persönlichkeiten her zueinander passen. Es muss eine gewisse Chemie zwischen ihnen bestehen, damit ein vertrauensvoller und produktiver Austausch stattfinden kann. Da wir es auf der einen Seite mit Top-Führungskräften zu tun haben, braucht es auf der anderen Seite junge Persönlichkeiten, die wirklich über Erfahrung in ihrem Bereich verfügen und eine inspirierende Geschichte mitbringen. Sodass Top-Leader der deutschen Wirtschaft sagen: Das finde ich interessant, da höre ich zu. Neben den Gemeinsamkeiten kommt es auch auf Unterschiede an. Reibung erzeugt Energie, und wir wollen ja, dass daraus etwas entsteht. Die freiwillige Teilnahme der Führungskraft und die Unterstützung der Organisation sind ebenfalls wichtig. Natürlich kann ich jemanden dazu verdonnern, dann ist der Lerneffekt bei den Entscheidern aber längst nicht so hoch, wie wenn sie intrinsisch motiviert sind.

Wie stellen Sie sicher, dass beide Seiten gut zueinander passen?
Das Matching basiert auf Informationen, die wir von den Führungskräften und den Mentoren einholen. Erstere füllen während der Anmeldung detaillierte Formulare aus, in denen sie ihre Interessen, Themen und beruflichen Hintergründe angeben. Zusätzlich erhalten wir Informationen von den Personalabteilungen. Auf Mentorenseite durchlaufen die Kandidatinnen und Kandidaten einen mehrstufigen Bewerbungsprozess, bei dem wir ihre Persönlichkeit, Expertise und Kommunikationsfähigkeit prüfen. Wir erhalten viele Initiativbewerbungen von jungen Menschen, die in den Programmen mitwirken möchten. Empfehlungen aus unserem Netzwerk spielen ebenfalls eine große Rolle. Dies gewährleistet eine hohe Qualität der Mentoren.

Was sind die ersten Schritte, um Reverse Mentoring erfolgreich umzusetzen?
Zuallererst sollte die Organisation den Nutzen des Programms erkennen und geeignete Führungskräfte auswählen. Nach der Anmeldung folgen das Matching, ein Kick-off-Event und die regelmäßigen Sessions. Dabei sind eine kontinuierliche Begleitung und Auswertung entscheidend. Es ist wichtig, klare Ziele zu definieren und den Fortschritt regelmäßig zu überprüfen. Feedback-Schleifen helfen, das Programm kontinuierlich zu verbessern.

Zu welchen konkreten Veränderungen kam es schon durch Reverse Mentoring?
Es gibt viele Beispiele, von Innovationsprozessen, die auf den Weg gebracht wurden, bis hin zu großen organisatorischen Veränderungen. So hat der CEO eines Finanzdienstleisters nach einem Reverse Mentoring seine IT-Strategie neu aufgesetzt und den IT-Chef entlassen. In anderen Fällen haben Unternehmen ihre Social-Media-Strategie angepasst oder neue interne Kommunikationsplattformen eingeführt. Einige Organisationen haben das Programm genutzt, um Nachhaltigkeitsinitiativen voranzutreiben. Die Ergebnisse sind oft sehr konkret und messbar.

Warum ist Ihnen der Austausch zwischen den Generationen so wichtig?
Der Fachkräftemangel und der demografische Wandel machen den Austausch unerlässlich. Es geht darum, Wissen und Werte zu vermitteln und die Generationen zusammenzubringen. Dies kann eine starke Unternehmenskultur fördern. Der Austausch hilft auch, Vorurteile abzubauen und ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln. Nur dadurch können wir die Herausforderungen der Zukunft meistern.

Andrea Möller
Autorin Andrea Möller arbeitet als Redakteurin bei Career Pioneer. Sie ist seit über 20 Jahren Journalistin und zeichnete als Redaktionsleiterin für die Sonderhefte des Journal Frankfurt verantwortlich, bevor sie 2010 den Schritt in die Selbstständigkeit ging. Seither ist sie unter anderem freie Autorin, Kolumnistin und Lektorin für diverse Publikums- und Fachmedien sowie Buchprojekte. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Karriere, Hotellerie, Gastronomie.
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