Karrierethemen

Diversity Stage beim Deutschen Hotelkongress in Rust (Foto: Annette Riedl)
Diversity Stage beim Deutschen Hotelkongress in Rust (Foto: Annette Riedl)
Diversity-Management

Vom Appellieren ins Handeln kommen

Diversity-Management ist branchenübergreifend ein wirksamer Hebel im "war for talents". Alexandra Leibfried, Redaktionsleitung der Career Pioneer, diskutierte darüber mit Expert:innen beim Deutschen Hotelkongress in Rust.

Erstmals hatte der Deutsche Hotelkongress 2023 einen Schwerpunkt zum Thema Diversity. Eine gute Entscheidung, finden die geladenen Expertinnen und Experten, denn der Handlungsdruck und die Veränderungschancen im Gastgewerbe sind groß.

„Wir Frauen müssen cooler werden und uns untereinander viel stärker vernetzen“, sagt Sabrina Westphälinger, Senior Director Talent & Culture DACH bei Accor und eine der Speakerinnen zum Thema Diversity auf dem Deutschen Hotelkongress 2023. Das Verhalten der typischen „Boys Clubs“, so Westphälinger, hätten Frauen leider längst noch nicht so gut drauf wie die Männer. Auch Liza Kapageridou, erste Culture Managerin Penta Hotels und eine weitere Speakerin, hat einen guten Appell parat. „Wir Frauen müssen lauter, unsere Forderungen müssen prominenter werden“. Kapageridous Wunsch: „Auf dem Deutschen Hotelkongress 2024 sollten unsere Themen nicht mehr in einem separaten Schwerpunkt stattfinden, sondern auf der Hauptbühne.“

So nachvollziehbar der Wunsch der Penta Culture Managerin ist, so bemerkenswert ist es dennoch, dass der Deutsche Hotelkongress in diesem Jahr Diversity überhaupt als ein Schwerpunktthema gewählt hat. Schließlich diskutieren die rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des von der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung (ahgz) veranstalteten Kongresses ansonsten eher über Themen wie den Hotelbetreibermarkt in Deutschland, Trends & Treiber des internationalen Gastgewerbes oder Daten als Erfolgsfaktor.

Doch der Handlungsdruck und die Veränderungschancen in Sachen Diversity sind groß – auch und gerade im Gastgewerbe. Das neue Kongressthema ist also durchaus klug gewählt. Alexandra Leibfried, Redaktionsleitung Career Pioneer und Moderatorin der Diversity Bühne auf dem DHK23, bringt es auf den Punkt: „Das Gastgewerbe ist von Natur aus eine Branche voller Vielfalt“. Die globalen Akteure lebten schon immer von Offenheit, Toleranz und Menschen unterschiedlichster kultureller Identitäten. Nun endlich würden sich bei den Unternehmen zunehmend auch Strategien des Diversity Managements etablieren.

Allerdings, und auch das gehört zur Wahrheit: Noch ist Diversity im Gastgewerbe ein vergleichsweise zartes Pflänzchen. Denn neben den vielen globalen Playern ist die Branche geprägt von unzähligen KMUs, Kleinstbetrieben und Familienunternehmen. Und die haben, nicht erst seit der Pandemie, oft genug andere, vermeintlich wichtigere Themen auf ihrer Agenda. Das ist zwar verständlich, aber mit Blick auf Zukunft und Fachkräftemangel zu kurz gedacht. „Diversity ist ein Gamechanger für die Unternehmenskultur“, sagt Tanja Eggers, Gründerin und Geschäftsführerin Ancoris Consulting und ebenfalls Speakerin auf der DHK23 Diversity Bühne. „Viele Studien haben längst bewiesen, dass divers aufgestellte Unternehmen und Teams zu nachhaltigeren und auch wirtschaftlich besseren Ergebnissen führen.“

„Es braucht Verbündete auf C-Level“

Umso wichtiger, dass Konzerne wie Accor beim Thema Diversity eine Führungs-und Vorreiterrolle übernehmen. Vor acht Jahren ist die Hotelkette mit dem Programm „Riise“ für gezielte Frauenförderung gestartet. Inzwischen, so Talent & Culture Managerin Westphälinger, sei das Thema „extrem gewachsen“. Unter dem Leitspruch „Be all you are“ arbeite Accor konsequent an einer authentischen Unternehmenskultur. Verpflichtet hat sich der Konzern dabei vier Handlungsbereichen: Geschlechtervielfalt und Gleichstellung, Integration von Menschen mit Behinderungen, Soziale, ethnische, rassische und kulturelle Vielfalt sowie LGBTQI+-Integration. Vorangetrieben und unterstützt werden dabei alle Handlungen direkt von Sébastien Bazin, Chairman and CEO von Accor. „Die Top-Führungsriege muss das Thema leben und vorleben“, sagt Westphälinger, sonst könne es nicht gelingen.

Das findet auch Beraterin Eggers. Sie coacht zahlreiche Unternehmen bei der Implementierung und Umsetzung von Diversity Strategien, und sie weiß aus ihrer jahrelangen Praxis: „Diversity ist ein Prozess. Und für diesen Prozess braucht es Verbündete auf C-Level.“

Und es braucht noch eine Menge mehr. Eggers vergleicht Vielfalt deshalb gerne mit Patchwork, ihre Vision ist eine „Arbeitswelt als Patchworld“. Ähnlich einer Patchwork Familie, so die Beraterin, in der unterschiedlichste Interessen immer wieder neu verhandelt, ausgelotet und unter einen Hut gebracht werden müssen, sei auch gelebte Vielfalt in Unternehmen vor allem eines: „sehr viel harte Arbeit am Miteinander“. „Diversity ist kein ,entweder oder‘, sondern immer ein ,sowohl als auch‘“, sagt Eggers. Dazu brauche es in den Unternehmen und bei den handelnden Menschen, neben dem Wollen, in erster Linie ein Diversity Mindset und die Fähigkeit, die Ansprüche und Vorstellungen anderer Menschen nicht zu bewerten oder abzuwerten.

Besonders am Herzen liegt der Ancoris Gründerin, dass Diversity nicht nur die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Einbindung von LGBTQ+-Communities meint. „Die Charta der Vielfalt nennt sieben verschiedene Dimensionen“, so Eggers, „neben Gender und LGBTQ+ zählen dazu auch Alter, Religion, ethnische und soziale Herkunft sowie körperliche und geistige Fähigkeiten.“ Wobei vor allem die letztgenannte Dimension stärker in das Bewusstsein rücken müsse. „Die Dimension körperliche und geistige Fähigkeiten wird von den Unternehmen bislang ganz klar am wenigsten beachtet“, findet Eggers. Hier sei es „Zeit für einen Tabubruch“. Eggers: „Wir müssen viel offener über Krankheit und Gesundheit sprechen. Unternehmen müssen für diese Themen viel stärker sensibilisiert werden“. Die Beraterin weiß, wovon sie spricht. Ihr Mann hat vor einigen Jahren einen Schlaganfall erlitten, musste sich mühsam – und glücklicherweise erfolgreich – wieder zurück ins Leben kämpfen.

Mentoring, Förderungen, Role Models

Konkret ins Handeln kommen, können Unternehmen aber auch durch die Unterstützung von Mentoring- oder Förderprogrammen. Möglichkeiten dazu gibt es viele. Als ein Beispiel stellte Mikolaj Ciechanowicz auf dem DHK23 die Deutschlandstiftung Integration (DSI) vor. Und auch der Geschäftsführer unterstreicht die große Vielfalt im Gastgewerbe: „Rund 31 Prozent der Beschäftigten in der Gastronomie haben eine eigene oder familiäre Migrationsbiografie.“ Seit April 2023 gibt es bei der DSI deshalb ein neues Mentoringprogramm, das speziell auf Auszubildende mit Migrationsgeschichte in Gastronomie und Hotellerie zugeschnitten ist. Durchgeführt wird das Programm in Kooperation mit dem DEHOGA Bundesverband und mit Unterstützung von Coca-Cola Europacific Partner. 15 bis 20 Geförderte pro Jahr sind geplant. „Die Mentees erhalten strukturierte Einblicke in den Berufsalltag der Mentorinnen und Mentoren, die in wichtigen Positionen des Gastgewerbes arbeiten“, so Ciechanowicz.

Mentorinnen und Mentoren geben jedoch nicht nur wichtiges Wissen weiter, sie sind zudem wichtige Role Models. Eine Funktion, die man guten Gewissens auch Penta Culture Managerin Liza Kapageridou anraten könnte. Als „junge Führungskraft mit Migrationshintergrund“ berichtet die smarte Managerin auf der DHK23-Bühne sehr lebhaft von ihren bisherigen Karriereerfahrungen. Und kann sich nicht so recht entscheiden, welche Form von Diskriminierung sie bislang am nervigsten fand: Aufgrund ihres – jungen – Alters, ihres Migrationshintergrunds, inklusive griechischem Nachnamen oder einfach nur aufgrund ihres Frauseins. „Mein Alter hat nichts mit meinen Erfahrungen zu tun“, ruft sie. „Mein Aussehen hat nichts mit meinem Können zu tun, und mein Name hat nichts mit meinen Sprachkenntnissen zu tun“. Alles was zähle – oder besser: was zählen sollte, seien Skills und Persönlichkeit. Bei allen Menschen. Vier Dinge schreibt Kapageridou den Diversity Machern deshalb ins To-Do-Buch: „Wir müssen diese Dinge immer wieder thematisieren. Wir brauchen Mentoring, wir brauchen Unterstützung, auch von Männern – und wir brauchen Frauen, die sich trauen.“

Noch viel Luft nach oben

Dass es bis zur realen Gleichberechtigung jedoch noch ein weiter Weg ist, betont Catrin Bialek. Sie ist Journalistin und Korrespondentin beim ahgz-Swestertitel HORIZONT. 2023 wurde Bialek von der Initiative „Beyond Gender Agenda“ unter die „Top 100 Women for Diversity“ gewählt. Auf der DHK23-Bühne, zu der Bialek live zugeschaltet war, appellierte auch sie an die deutsche Wirtschaft. „Es ist noch viel Luft nach oben bis zu realer Gleichberechtigung für Frauen“. Das sehe man allein schon an KPIs, wie dem Gender Pay Gap, also der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, oder beim Frauenanteil in deutschen Vorständen und Aufsichtsräten. Das bereinigte Gender Pay Gap lag 2022 bei 7 Prozent, das unbereinigte bei 18 Prozent Der Anteil von Frauen in Vorständen lag 2022 bei 15,6 Prozent, in Aufsichtsräten bei 30,9 Prozent.

Anja Sturm
Anja Sturm ist feste freie Fachautorin im Redaktionsteam der Career Pioneer. Seit mehr als 20 Jahren ist sie als Journalistin auf Marketing, Medien, New Work und Diversity spezialsiert. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei HORIZONT, bevor sie 2014 entschied, sich mit einem Redaktionsbüro selbständig zu machen. Sie schreibt seither für diverse Wirtschafts- und Fachmedien, moderiert auf Fachkongressen und liebt es, als Dozentin junge Menschen für die Medien- und Kommunikationsbranche zu begeistern.
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