Karrierethemen

Transformation

Tristan Horx: „Workation ist für Ältere oft glorifizierte Freizeit“

Sinn und Produktivität gehen Hand in Hand, wenn sich die Kommunikation wandelt. Die Zeit drängt – meint Trend- und Zukunftsforscher Christian Horx.

Herr Horx, Sinnhaftigkeit auszurufen, um Mitarbeitende zu halten – neu ist das nicht. Sie sprechen jetzt sogar von einer nötigen Sinnmaximierung. Was ist der Unterschied zu Purpose?
Tristan Horx: Purpose hat versagt, das war das Thema meiner Generation. Dinge, die durch Corona erzwungen wurden, wie Homeoffice und flexibles Arbeiten, haben wir Millennials schon vorher gefordert, nur nicht so rebellisch. Irgendwann haben wir aufgegeben. Die nächste Generation ist fordernder und demographisch in einer besseren Lage. Letztlich galt, als wir uns mehr Freiheit wünschten, immer: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und das Entweder-Oder-Prinzip: Wir machen Sinn oder wir sind produktiv. Die C-Level-Ebene möchte ich jetzt, wo die Debatte meiner Generation nochmal ganz anders hochkocht über die Gen Z, mit der Kombination erreichen – aus Sinn und Maximum.

Dringen Sie durch?
Nicht unbedingt sofort, wenn ich von Unternehmenskultur an sich spreche. Aber: Sinn macht produktiv, weil die Menschen so lieber, mehr und kreativer arbeiten. Außerdem gibt es weniger Ausfälle, weniger Krankenstände. Die Zahlen sprechen dann für sich, und wir haben ein C-Level-Thema. So muss Sinnmaximierung das Ziel aller sein. Wer sich verweigert, ist eine schlechte Führungskraft. Sogar trotz anderer Überzeugungen oder Aussagen wie: ‚Das haben wir immer schon so gemacht‘, muss aus wirtschaftlichen Gründen ein Umdenken stattfinden. Die Renditen zeigen das deutlich.

Haben Sie Beispiele?
Ich möchte keine Namen nennen, stütze mich aber auf Cases mit großen deutschen Unternehmen. Wandel ist mit Schmerzen verbunden, unter der Prämisse ‚Sinn‘ ein neues Personalmanagement aufbauen, heißt ja zu erkennen, dass bisher viel falsch gelaufen ist. Toxische Dynamiken müssen unterbrochen werden, das wird immer offensichtlicher. Auch gängige Argumente, wie: ‚Warum sollen wir Sinn geben, wenn Menschen in zwei Jahren wieder weg sind‘, sind hinfällig. Beispielsweise weiß man, dass Alumni-Programme Menschen miteinander verbinden. Nach fünf oder sechs Jahren kommen diese öfter auch zurück.

Wie kann das Prinzip „Sinnmaximierung“ gelebt werden?
Reverse Mentorings sind eine gute Sache: Das kann man ab morgen schon anwenden und dabei das Senioritätsprinzip umdrehen. So ist es möglich, den Sinn durch die Augen des anderen sehen, durch die Augen der Sinnsuchenden zu sehen. Früher ließen sich 80 Prozent der Menschen über das Gehalt überzeugen, einen Job zu machen. Heute sind es nur noch ein Viertel der Menschen, für die diese Sichtweise ausschlaggebend ist. Wenn ein:e ältere Entscheider:in einen Tag die Arbeitswelt durch die Augen einer jüngeren, digitaleren Kolleg:in sieht, hilft das viel, Wünsche der jungen Generation und die Sinnfrage besser zu verstehen.

Immer wieder werden in Wirtschaft und Politik Stimmen laut, die Wünsche nach Flexibilisierung sowie die Präsenzdebatte mit der Gefahr unseres wirtschaftlichen Wohls in Beziehung setzen, zurecht?
Das ist in Deutschland ein sehr großes Thema, weil wir historisch, aber jetzt auch noch, im industriellen Sektor so stark aufgestellt sind. Anwesenheit und Produktivität gehört in den Köpfen zusammen, so sind wir geprägt. In vielen neuen Berufen ist das anders. Abgesessene Zeit und Produktivität ist nicht kombinierbar. Es handelt sich dabei auch um eine gewisse Eitelkeit des Managements, davon auszugehen. Außerdem würde das ein System befürworten, in dem die schlauesten, effizientesten Personen nicht belohnt, sondern bestraft würden.

Und letztlich auch die Zahl der Mitarbeitenden, die von der Arbeit überlastet sind, noch erhöhen?!
In der Überlastung stecken in meinen Augen die Nachwehen der Pandemie. Es ist gut, dass die jüngeren Generationen das Thema mentale Gesundheit beziehungsweise psychische Überlastung entstigmatisiert haben. Früher hätten alle gedacht, dass man bei einer Auszeit wegen psychischer Belastung auf dem direkten Weg in die Klapse ist. Daher sollten man vorsichtig mit den Zahlen sein. Früher waren Arbeitnehmende sicher auch belastet, sie haben eben weniger darüber gesprochen.

Wie steht es um das Thema Zuwanderung?
Der Diskurs um dieses Thema ist schiefgegangen. Das hat eine Partei geschafft, dass man nicht mehr vorwärtsgewandt über Zuwanderung spricht. Das macht uns für andere Nationen und Potentials nicht gerade attraktiver.

400.000 Fachkräfte aus dem Ausland bräuchten wir heute schon, in Kürze könnten es sogar 700.000 sein … können wir uns eigentlich nicht leisten?!
Genau, da wird der Bedarf ab einem gewissen Zeitpunkt exponentiell steigen. Die Boomer, die in Rente gehen, leben länger, brauchen Pflege. Weniger Arbeitskräfte kommen nach. Dafür müsste man dringend die Weichen stellen, in allen Branchen.

Als Keynote Speaker richten Sie sich an den Nachwuchs, aber auch an starke Arbeitgebende, die junge Menschen für sich gewinnen möchten. Wie können beide Seiten gut und langfristig erfolgreich zusammenkommen?
Ich sehe mich als Kommunikator zwischen den Welten. In meiner Erfahrung funktioniert es nur, wenn man aufeinander zugeht. Junge sollten die Erfahrung der Älteren schätzen, dafür müssen die Älteren das Rebellische anerkennen. Es ist kein Werteproblem, kein Einstellungsproblem. Sie sind weder bequem noch faul. Vielmehr müssen wir wieder lernen, miteinander zu kommunizieren. Darin sehe ich meine Hauptaufgabe, das zu vermitteln. Ein Beispiel: Social Media. Die Jungen sind auf Tiktok, die Alten auf Facebook. Getrennte digitale soziale Räume, aber es geht darum, ein soziales Miteinander im Analogen zu schaffen.

Wie geht diese Kommunikation?
Zum Beispiel könnte man eine Liste aus schönen Buzzwords rund um New Work erstellen und dann gegenseitig abklopfen, was jeder unter Workation oder auch Homeoffice versteht. Für die Älteren bedeutet das eigentlich glorifizierte Freizeit. Ein lautes Büro ist sicher auch nicht der Ort, wo man konzentriert arbeiten kann, das Homeoffice aber schon. Dann vermeidet man sicher auch ein stückweit die Kündigungen, die wegen falscher Versprechungen entstehen. Wer von ‚Work-Life-Balance‘ redet, aber das nicht lebt, ist rasch unglaubwürdig. Kommunikationsfähigkeiten, die Soft Skills, werden gerade wieder zum Wettbewerbsvorteil. Beziehungsmanagement sozusagen, das wird sich auszahlen.

Alexandra Leibfried
Als Redaktionsleitung (V.i.S.d.P.) der Career Pioneer berichtet Alexandra Leibfried regelmäßig über HR-Management- und Karrierethemen. Ihre Artikel erscheinen in führenden Branchenzeitungen und -zeitschriften wie HORIZONT, ahgz und fvwITravelTalk. Die Career Pioneer GmbH und Co. KG ist Spezialist für Stellenmärkte und Karriereformate innerhalb der dfv Mediengruppe.
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