Karrierethemen

Stefan Schaltegger
"Jede Führungskraft braucht Nachhaltigkeitswissen", sagt Managementprofessor Stefan Schaltegger. Foto: DFL/Witters/Frank Peters
ESG

“Leader, die sich nicht mit Nachhaltigkeit beschäftigen, sind riskantes Personal”

Die grüne Transformation der Wirtschaft ist in vollem Gange. Managementprofessor Stefan Schaltegger erklärt im Interview, was er Unternehmen besonders empfiehlt, wie Regulierung zur Nebensache wird und was Führungskräfte können müssen.

Herr Schaltegger, Sie sagen, Manager, die Nachhaltigkeit nicht beachten, sind riskantes Personal. Warum?
Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der schon seit Jahrzehnten anhält und der weiter anhalten wird. Die Nachhaltigkeitsprobleme spitzen sich ja weiter zu. In immer mehr Bereichen sind die planetaren Grenzen überschritten. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen nicht erreichen. Damit gefährden wir unsere Zukunft. Der Druck auf Unternehmen und Gesellschaft zu Handeln nimmt also zu. Dieser Druck ist in der Sache begründet, das sind ökologische und physikalische Zwänge. Mit Politik hat das erstmal nichts zu tun. Aber natürlich sieht sich die Politik gezwungen, zu reagieren. Genauso wie auch Stakeholder wie Kunden, Medien und Investoren reagieren.

Mit welchen Folgen?
Das verändert das Unternehmensumfeld dermaßen fundamental, dass ein Geschäft nicht weitergeführt werden kann, wenn man diese Faktoren ignoriert. Wer glaubt, diese Themen gehen weg, wenn die Grünen nicht mehr an der Regierung sind, der irrt. Wir sprechen hier von einer Sachthematik und diese wird weiterhin die unterschiedlichsten Stakeholder motivieren, aktiv zu werden. Ein Unternehmen ist in dieses gesellschaftliche Umfeld eingebettet und deshalb ist Nachhaltigkeit ernst zu nehmen.

Was bedeutet das?
Das ist nicht mit einer schönen Broschüre zu lösen. Wenn man als Unternehmen nicht die tatsächlichen Probleme löst, wird man diesem Druck nicht entkommen. Und dadurch ergeben sich dann Geschäftsrisiken. Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsmanagement erfordern, dass man sich mit dem Kerngeschäft, mit den Produkten und Dienstleistungen, die man anbietet, und den Kernprozessen von der Lieferkette bis zur Entsorgung oder Rückführung der Produkte intensiv auseinandersetzt. Das führt in aller Regel dazu, dass man die Geschäftsmodelle transformieren muss. Man muss über andere Produkte oder Produkt-Dienstleistungs-Kombinationen nachdenken.


„Führungskräfte müssen sich damit auseinandersetzen, welche wesentlichen Faktoren das Geschäft beeinflussen – und das sind in vielen Bereichen eben Nachhaltigkeitsthemen.“

– Prof. Dr. Stefan Schaltegger

Das kann nicht die Aufgabe von Nachhaltigkeitsmanagern sein.
Das ist eine Kernaufgabe von Führungskräften, die aber Fachunterstützung durch Nachhaltigkeitsexperten und -expertinnen benötigen. Führungskräfte müssen sich damit auseinandersetzen, welche wesentlichen Faktoren das Geschäft beeinflussen – und das sind in vielen Bereichen eben Nachhaltigkeitsthemen. Daher gilt: Managerinnen und Manager, die sich nicht mit Nachhaltigkeit beschäftigen, sind schlechtes, riskantes Personal.

In welcher Phase der grünen Transformation verorten Sie uns denn im Moment – auch mit Blick darauf, wie die Unternehmen sich jetzt an das Umfeld anpassen müssen?
Das ist eine spannende Frage, die sich leider nicht generell beantworten lässt. Denn das ist je nach Branche und Land unterschiedlich. Es gibt Bereiche, die sich mitten in der großen Transformation befinden, andere sind noch nicht so weit. In der Energiebranche sind die Umbrüche massiv, bei der Mobilität stehen wir noch am Anfang. Wenn unsere Benchmark ist, dass sich die Wirtschaft aus Unternehmen zusammensetzt, die sich innerhalb planetarer Grenzen bewegen, und wenn wir sehen, dass wir da nicht nur vom Klima reden, sondern auch von Biodiversität, Stickstoffkreisläufen und vielen anderen Themen, bei denen wir die planetaren Grenzen substanziell übertreten, dann haben wir leider noch einen weiten Weg vor uns.


“Ich denke, viele deutsche Unternehmen haben die Innnovationskraft und können mit einer intensiveren thematischen Befassung Nachhaltigkeit zu einer wirtschaftlichen Chance ummünzen.”

– Prof. Dr. Stefan Schaltegger

Das heißt, die großen Veränderungen stehen erst noch an.
Ja – auch wenn die Menschen gerne am Bestehenden festhalten, vor allem, wenn das bisher erfolgreich war. Aber die Zuspitzung vieler Nachhaltigkeitsprobleme zwingt uns Veränderungen auf die eine oder andere Weise auf. Und Transformation ist auch eine Chance. Wenn Werner von Siemens damals gesagt hätte, es gibt gar keine Elektrizitätskraftwerke und -Stromleitungen und niemand nutzt derzeit Strom, dann hätte er auch keinen Markt dafür gesehen. Aber er hat es als Chance gesehen, dass viele Menschen elektrischen Strom brauchen könnten und dass damit viele Vorteile einhergehen. Diese Brille sollten wir uns auch für die Nachhaltigkeitstransformation aufsetzen. Ich denke, viele deutsche Unternehmen haben die Innnovationskraft und können mit einer intensiveren thematischen Befassung Nachhaltigkeit zu einer wirtschaftlichen Chance ummünzen.

Also nachhaltige Produkte anbieten und alles wird gut?
Diesen Automatismus gibt es natürlich nicht. Aber wenn man sich nicht nachhaltig verhält, muss man damit rechnen, dass die Rechnung irgendwann nicht mehr aufgeht. Deshalb lautet die Herausforderung, Nachhaltigkeit möglichst intelligent anzupacken, so dass sie uns auch wirtschaftlich voranbringt.

Wie macht man das?
Ein modernes Nachhaltigkeitsmanagement macht sich Gedanken darüber, was für Konsum- und Lebensstile das Unternehmen eigentlich anbietet und ob diese Lebensstile nachhaltig sind. Auf dieser Basis kann dann der Frage nachgegangen werden, wie ein radikal nachhaltigeres Angebot aussehen könnte. Es wird also das Kerngeschäft adressiert und damit wird Nachhaltigkeitsmanagement zu einer strategischen Aufgabe. Es geht darum, zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen beizutragen und nicht einfach nur weniger schlecht zu sein.

Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Schaltegger (60) gehört zu den Top 2 Prozent der meistzitierten Managementforschenden weltweit und hat 2003 den global ersten MBA Sustainability Management gegründet. Er ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre der Leuphana Universität Lüneburg, Methodikpartner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises sowie Berater von Unternehmen und Regierungen. Schaltegger leitet auch den Zertifikatslehrgang ESG Professional, der in Kooperation mit der dfv Mediengruppe speziell für Führungskräfte aufgesetzt wurde.
Daniel Baumann
Daniel Baumann ist Journalist, Moderator, Medienentwickler und Buchautor. Als Editorial Director Green Transformation der dfv Mediengruppe baut er gruppenweit das Bildungs- und Informationsangebot zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Unternehmen aus. Davor war er Head of Innovation und Ressortleiter Wirtschaft der Frankfurter Rundschau. Das Fachmagazin “Wirtschaftsjournalist” nannte Baumann einen von “55 Machern von morgen”.
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