Karrierethemen

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Recht auf Homeoffice?

Kontroversen um Präsenzpflicht im Anmarsch

Beförderung gegen Anwesenheit – deutsche CEOs können sich das vorstellen. Laut einer Studie verhärten sich die Fronten in der Debatte um die Anwesenheit im Büro.

Amazon, Google, OpenAI – diese Unternehmen machen seit einer Weile durch ihre Drohungen zur Präsenzpflicht Schlagzeilen. Mit ihrem Ansinnen sind sie nicht allein. Aktuell sehen viele Firmenchefs die Arbeit im Homeoffice kritisch – wie der der “KPMG CEO Outlook” zeigt. Dabei handelt es sich um eineweltweite Umfrage unter 1325 CEOs großer Unternehmen, 125 von ihnen stammen aus Deutschland. Sie wollen, dass Mitarbeitende wieder täglich ins Büro kommen, und gehen – so die Studienergebnisse – davon aus, dass sich dieser Wunsch innerhalb der nächsten drei Jahre realisieren lässt. Denn: Laut der KPMG-Umfrage kann sich nur jeder vierte CEO weiterhin hybride Arbeitsmodelle vorstellen.

Das Rad auf die Vor-Coronazeit zurückdrehen, wie soll das gehen? Durchsetzen wollen das drei von vier deutschen CEOs über entsprechende Anreize: Beschäftigte zu befördern oder ihnen mehr Gehalt zu bezahlen, wenn sie häufiger ins Büro kommen. New-Work-Experte Benjamin Rolff warnt: “Ein Bürozwang klingt nach einer wenig nachhaltigen Lösung. Letztlich werden nicht diejenigen Mitarbeitenden gefördert, die einen guten Job machen, sondern diejenigen, die schnell, leicht und gerne ins Büro kommen. Nicht selten sind es Top Performer, die einen Arbeitsmodus finden, der zu ihren Bedürfnissen und Präferenzen passt.”

Nachteile für Frauen in Vollzeit

Den Wünschen der CEOs stehen verschiedene Studien zur Wechselwilligkeit der Beschäftigten gegenüber. Sie ist in allen Altersgruppen hoch, im Schnitt kann sich mehr als jede oder jeder Dritte vorstellen, in den nächsten zwölf Monaten den Job zu wechseln. Im Rahmen einer FORSA-Studie, angestoßen von onlyfy by XING zeigte sich, dass insbesondere für jede zweite Frau die Möglichkeiten von zeit- und ortsabhängigem Arbeiten (Remote Work) oder Homeoffice wichtig sind. 42 Prozent der Männer wünschen sich das aber auch.

“Die Bedürfnisse der Frauen kommen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin zu kurz, dabei brauchen wir weibliche Fachkräfte und Beschäftigte, die möglichst viel in Vollzeit arbeiten können, mehr denn je”, betont Arbeitsmarktexperte Dr. Julian Stahl (New Work SE). Eine weitere XING-Studie, die sich beim Thema Wechselwilligkeit speziell auf körperlich arbeitende Beschäftigte konzentrierte, verdeutlicht: Mindestens jede oder jeder Vierte ist wechselwillig, Flexibilität spielt eine ausschlaggebende Rolle dabei. Das bedeutet: Auch Unternehmen aus Handwerk, Einzelhandel und Hotellerie brauchen gute Lösungen. Stahl ergänzt: “Flexibilität ist einer der Top-3-Gründe bei der Suche nach Arbeitgebern.” Das sollte als “entscheidender Wettbewerbsvorteil” erkannt werden.

Das raten die Experten

Der wachsende Druck rund um die Präsenzpflicht steht in deutlichem Widerspruch zu New-Work-Ansätzen als Hebel im War for Talents. Wichtig sei zu verstehen, woher die Kehrtwende kommt, so Rolff. “Vielleicht wegen eines besseren Austauschs vor Ort?” Er rät zu einer Debattenkultur, die alle gleichermaßen in ihren Bedürfnissen abholt. Ansonsten bestehe das Risiko, gute Beschäftigte zu verlieren. Wenn das physische Zusammenkommen ein Teil der Arbeitskultur sein soll, sollten sich “Anreize in der Arbeit als solche wiederfinden: Teamevents vor Ort, Benefits wie Mittagessen oder Sportangebote”. Laut Stahl funktioniert ein attrativer Büro-Arbeitsplatz, wenn er den Wünschen der Beschäftigten entspricht, auch als Instrument der Mitarbeiterbindung.

Geld gegen Präsenz, diese Verknüpfung sehen die Experten kritisch. “Präsenz bedeutet nicht gleich bessere Leistung. Es könnte auch die Motivation derer negativ beeinflussen, die nicht ins Office kommen können”, so Rolff. Allerdings kann Büropräsenz durchaus Vorteile haben, nicht nur wegen der sozialen Interaktion. Denn auch Freizeit und Arbeit lassen sich wieder besser voneinander trennen. Möglicherweise sind die Arbeitsbedingungen besser, beispielsweise eine gesundheitsfördernde Ausstattung und die Deckelung von Arbeitszeiten.

Einen gesunden Mix zu finden, hält Rolff für den allerbesten Weg – auch wenn er abstimmungsintensiv ist. Dazu zählt, dass es “mehr Kommunikation und Klarheit in den Rollen, Zielen und Wegen der Zusammenarbeit” gibt. Er unterstreicht: “Flexibilität und selbstbestimmtes Handeln sollten nicht nur als Benefit gesehen werden, sondern als Möglichkeit, unsere Arbeit ingesamt gesünder, porduktiver und wirksamer zu gestalten.”

Diese rechtlichen Aspekte müssen beachtet werden

  • Über eine Weisung können Mitarbeitende zurück ins Büro geholt werden. Zu beachten gilt dabei, auf welchen Arbeitsort man sich vertraglich geeinigt hat. Zudem ist wichtig, welche vertraglichen Vereinbarungen darüber hinaus hinsichtlich Homeoffice, mobilem Arbeiten und Remote Work getroffen wurden. Oft sind diese Dinge ebenfalls im Vertrag schriftlich fixiert worden.
  • Änderungen können – falls vertraglich fixiert – nur mit Zustimmung der Beschäftigten oder über eine Änderungskündigung erfolgen.
  • War das Homeoffice jedoch über Weisungsrecht angeordnet oder lediglich geduldet, kann es über eine aktuellere Weisung geändert werden, auch wenn es Beschäftigte über einen langen Zeitraum so praktizierten.
  • Im Rahmen des Gleichbehandlungsgesetzes sollten für alle Mitarbeitenden gleiche Vorgaben herrschen. Es ist nicht verboten, Einzelentscheidungen zu treffen, sie sollten jedoch sachlich begründbar sein.
  • Gibt es einen Betriebsrat, bedarf es der Zustimmung einer Änderung des Arbeitsortes. Auch einer Rückkehranordnung von 0 auf 100 Prozent muss zugestimmt werden.
  • Die Entscheidung, ob überhaupt Homeoffice angeboten wird, kann der Betriebsrat nicht entscheiden. Um möglichst breiten Konsens zu haben (auch im Falle eines Betriebsrates), gibt es Betriebsvereinbarungen. Verpflichtungen ergeben sich für den Arbeitgeber über diese aktuelle Betriebsvereinbarung, die wiederum nur mit Zustimmung des Betriebsrates geändert werden kann. Einzelentscheidungen für mehr Homeoffice können dennoch ausgehandelt werden, ein Recht darauf gibt es nicht.

Mehr Informationen zum Thema können im Betriebsverfassungsgesetz nachgelesen werden.

Alexandra Leibfried
Als Redaktionsleitung (V.i.S.d.P.) der Career Pioneer berichtet Alexandra Leibfried regelmäßig über HR-Management- und Karrierethemen. Ihre Artikel erscheinen in führenden Branchenzeitungen und -zeitschriften wie HORIZONT, ahgz und fvwITravelTalk. Die Career Pioneer GmbH und Co. KG ist Spezialist für Stellenmärkte und Karriereformate innerhalb der dfv Mediengruppe.
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