Karrierethemen

Franz Kühmayer
New Work und Leadership sind zentrale Themen von Prof. Franz Kühmayer. Foto: Thomas Kamenar
New Work

„Kollaboratives Arbeiten wird zwischen Menschen und Maschinen stattfinden“

Im Wettlauf um qualifizierte Arbeitskräfte ist eine agile Unternehmenskultur mit kollaborativen Tools ein Schlüsselfaktor. Worauf bei der vernetzten Zusammenarbeit geachtet werden sollte, weiß New-Work-Experte Prof. Dr. Franz Kühmayer.

Immer mehr Unternehmen setzen auf kollaboratives Arbeiten. Welche Vorteile gehen damit einher?
Die Notwendigkeit, Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Organisation niederschwellig zur Kooperation zu führen, ist der Grundgedanke von kollaborativem Arbeiten – unterstützt durch Technologie, die das inzwischen auch ohne ausufernde Präsenz-Workshops, x-faches E-Mail-Ping-Pong oder endlose Verteilerlisten ermöglicht. Im Ergebnis können durch erweiterte Horizonte höherwertige Inhalte entstehen. Idealtypische Nebeneffekte sind gesteigerte Motivation aller Beteiligten, verbesserte Kommunikation in der Organisation und optimiertes Wissensmanagement durch stetigen Austausch.

Welche Risiken birgt kollaboratives Arbeiten?
In meiner Erfahrung ist es ein zentrales Risiko, den Koordinationsaufwand zu unterschätzen. Selbst wenn alle Beteiligten begeistert bei der Sache sind und die klaglos funktionierenden Werkzeuge kompetent nutzen: Von alleine lösen sich Fragen nach gemeinsamen Absprachen, einzuhaltenden Fristen, unklaren Zuständigkeiten und überlappenden Aufgabenbereichen auch in den besten kollaborativen Projekten nicht. Meist passiert sogar das Gegenteil. Die Enttäuschung, wenn ein kollaboratives Projekt nicht so klappt, wie man es sich vorgestellt hat, kann dann dazu führen, dass Folgeprojekte es noch schwerer haben. Nach dem Motto „In der Gruppe klappt das ja doch nicht, dann mache ich es lieber gleich selbst“ kann schlampig eingeführte Kollaboration zum Bumerang werden.

Welche Skills benötigen Führungskräfte, wenn es um kollaboratives Arbeiten geht?
Produktive Zusammenarbeit kann nicht angeordnet werden. Daher beginnt die Rolle der Führungskraft schon lange vor dem eigentlichen Projekt. Es gilt, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Barrieren zwischen einzelnen Abteilungen abbaut, wechselseitigen Austausch fördert sowie von-, mit- und übereinander Lernen als bereichernd wahrnimmt. Parallel dazu geht es darum, die Kompetenzen der Organisation zu erweitern, sowohl auf Tool-Ebene als auch interpersonell. Und schließlich müssen Zielsysteme so angepasst werden, dass es im Interesse des Einzelnen liegt, sich in der Gruppe einzubringen. So paradox es scheinen mag, aber kollaboratives Arbeiten erfordert keine Ent-Führung, sondern eine Re-Form. Als Coach an der Seitenlinie zu stehen, bedeutet nicht, weniger Verantwortung zu haben.


Franz Kühmayer

„Kollaboratives Arbeiten ist kein Ersatz für stringentes Projekt- und Konfliktmanagement.“

– Franz Kühmayer

Welche Stolpersteine gilt es, in Bezug auf die effiziente Kommunikation im Team zu überwinden?
Die flapsige Redewendung: „A fool with a tool is still a fool” gilt auch hier. Wer glaubt, durch Freischalten von Google Docs, MS Teams oder MIRO bereits den Stein der Weisen für verbesserte Kollaboration gefunden zu haben, täuscht sich. Technologie ist ein Enabler, ein Möglichmacher, aber kein Selbstzweck. Die zahllosen verwaisten Intranet- und Sharepoint-Seiten in Unternehmen zeugen davon. Zentral sind demnach eher organisatorische und kulturelle Fragestellungen.

Welche zum Beispiel?
Gibt es ein gemeinsames Ziel für alle Beteiligten? Liegt es im – nicht nur ideellen, sondern auch ganz praktischen – Interesse aller Teilnehmenden, Zeit und Energie zu investieren? Sind Erwartungshaltungen und Kompetenzen klar ausgesprochen und nachvollziehbar? Und schließlich: Gibt es widerstrebende Interessen? Wenn etwa Filialbetriebe eines Konzerns in ihrer Ergebnisbeurteilung untereinander im Wettbewerb stehen, wird die Lust, sich an kollaborativen Projekten zu beteiligen, eher überschaubar bleiben.

Dr. Caroline von Kretschmann leitet das Luxushotel Der Europäische Hof Heidelberg in vierter Generation. Seine Tradition reicht bis ins Jahr 1865 zurück. Sie hat einen umfassenden Transformationsprozess eingeleitet im eigenen Unternehmen mit den Schwerpunkten Nachhaltigkeit, Mitarbeiterführung und Digitalisierung. Für ihre Verdienste in der Hotellerie und ihr öffentlichen Eintreten für die Branche ist sie 2022 von der Fachzeitung ahgz mit der Auszeichnung “Hotelier des Jahres” geehrt worden.

Was sollte sonst noch beachtet werden, um ein besseres Miteinander zu fördern?
Kollaboratives Arbeiten ist kein Ersatz für stringentes Projekt- und Konfliktmanagement. Die angestrebte Weisheit der Masse kann nur aufblühen, wenn von Anfang an klar ist, unter welchen Spielregeln zusammengearbeitet wird. Ein Beispiel: Wer entscheidet, ob ein Diskussionsbeitrag in das Endprodukt übernommen wird? Das kann durch die Projektleitung, transparent ausgesuchte Teammitglieder, Gremien oder die Abstimmung unter allen Teilnehmenden geschehen. Egal, welches Verfahren gewählt wird: Nur, wenn zu Beginn klar ist, wie entschieden wird, kommt es nicht zu Enttäuschungen.

Wie sieht die Zukunft von kollaborativer Arbeit aus?
KI wird eine ganz wesentliche Rolle spielen. Wir haben Technologie bislang hauptsächlich als Plattform verwendet, auf der sich Menschen austauschen können und mit deren Hilfe sie selbst produktiv sind – etwa durch Recherche, Modellierung oder ähnliches. Künftig wird Technologie aber darüber hinauswachsen und selbst auch eine inhaltliche und gestalterische Rolle übernehmen können. Das kann von der qualitativen Zusammenfassung von Beiträgen bis zu eigenständigen Lösungsbeiträgen reichen. Denkbar ist das in beide Richtungen: Einsatz von KI, um menschliche Kollaborationsprojekte zu unterstützen oder auch Einsatz von menschlicher Kollaboration, um die Ergebnisse künstlicher Intelligenz zu bewerten und zu verbessern. Jedenfalls: Kollaboratives Arbeiten wird in der Zukunft nicht nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen Menschen und Maschinen stattfinden – und damit völlig neue Möglichkeiten eröffnen.

Andrea Möller
Autorin Andrea Möller arbeitet als Redakteurin bei Carrer Pioneer. Sie ist seit über 20 Jahren Journalistin und zeichnete lange als Redaktionsleiterin für die Sonderhefte des Journal Frankfurt verantwortlich, bevor sie 2010 den Schritt in die Selbstständigkeit ging. Seither ist sie unter anderem freie Autorin, Kolumnistin und Lektorin für diverse Publikums- und Fachmedien sowie Buchprojekte. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Karriere, Hotellerie, Gastronomie.
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