Karrierethemen

Expertinnen-Talk: (v.l.) Kerstin Wagner (Personalleiterin Deutsche Bahn), Alexandra Leibfried (Redaktionsleitung Career Pioneer), Dagmar Hübner (Managing Director The People Business)
Expertinnen-Talk: (v.l.) Kerstin Wagner (Personalleiterin Deutsche Bahn), Alexandra Leibfried (Redaktionsleitung Career Pioneer), Dagmar Hübner (Managing Director The People Business) Foto: Andrea Möller
Recruiting Trends

Beschäftigte werden zu Kunden

Arbeit hat für die Menschen einen anderen Stellenwert bekommen. Über "Recruiting Trends & Arbeitsmarkt" diskutierte Alexandra Leibfried, Redaktionsleiterin von Career Pioneer, mit HR-Expertinnen.

Derzeit gibt es kaum ein Thema, das Arbeitgebende mehr beschäftigt als der allgemein herrschende Fachkräftemangel. Und dieses Problem dürfte sich in den kommenden Jahren verschärfen: Schließlich werden bis 2030 mehr Menschen aus dem deutschen Arbeitsmarkt ausscheiden als in den deutschen Arbeitsmarkt eintreten. Zudem hat sich die Art und Weise zunehmend verändert, wie Unternehmen – ob groß oder klein – an potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten herantreten. Jobs müssen stärker als bisher an die Bedürfnisse der Menschen andocken.

Der Job als Produkt

So sollten Unternehmen möglichst frühzeitig und nahbar in Dialog mit potenziellen Beschäftigten gehen. Das empfiehlt Kerstin Wagner, Leiterin der Personalgewinnung bei der Deutschen Bahn. “Es kommt darauf an, frühestmöglich zu kommunizieren: Wer bin ich als Arbeitgeber, wofür stehe ich und was bekommst Du von mir als Jobprodukt. Das muss mir schon bei der Außendarstellung gelingen”, so die Fachfrau, die ein 1000-köpfiges Recruiterteam im Rücken hat. Es bringe aber nichts, wenn man draußen tolle Kampagnen fahre und danach den ersten Kontakt mit den Kandidatinnen und Kandidaten nicht hinbekäme. Der müsse zum einem sehr persönlich, zum anderen kundenorientiert sein. “Beschäftigte sind für mich Kunden. Ich muss verstehen, was sie wollen, damit sie zu uns wechseln oder ihre Karriere bei uns starten.”

Zielführender Dialog

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Kerstin Wagner
Bei der Deutschen Bahn (DB) AG vereint Kerstin Wagner als Leiterin Personalgewinnung und direkte Mitarbeiterin des Personalvorstands die Themen Employer Branding, Recruiting, globale Governance und Zeitarbeit unter einem Dach. Mit ihrem knapp 1000-köpfigen Team will sie die DB als topmodernen und innovativen Arbeitgeber positionieren und in den nächsten Jahren bis zu 100.000 Mitarbeitende für den Konzern gewinnen. Wagner ist außerdem Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten und Vorsitzende des Fachkuratoriums der Deutsche Bahn Stiftung. (Foto: Bildschön/Schmetzer)

Dieser Dialog ist heute komplexer und intensiver als früher, weil es dabei um diverse Zielgruppen mit ihren jeweiligen Motivationsfaktoren geht. Außerdem liegt der Fokus auf folgenden Fragen: “Wie will ich in Zukunft arbeiten? Bin ich der oder die Richtige im Kontext von mobile Work? Brauche ich Anbindung an ein Team? Oder, noch weitergedacht, wenn ich in einer Führungsrolle bin, was bedeutet das in Zukunft mit Blick auf Struktur und Verantwortlichkeit?”, so Dagmar Hübner, Gründerin und Geschäftsführerin des Personalberatungsunternehmens The People Business.

Frauenkarrieren forcieren

Leitende Posten mit mehr Frauen zu besetzen, ist ein wichtiges Ziel der Deutschen Bahn. Daher entwickelte der Konzern das Programm “30 Maßnahmen für 30 Prozent”, das er bis 2024 umsetzen will. Bislang werden bereits 25 Prozent der Führungspositionen von Frauen bekleidet – Tendenz steigend. “Dafür braucht es ein klares Commitment der Top-Management-Ebene”, sagt Wagner. “Die 30 Maßnahmen ranken sich entlang der kompletten Rekrutierungskette.” Es gebe große wie den Welt-Frauen-Monat, in dem das Unternehmen 1000 Mitarbeiterinnen einstellen konnte, und nicht ganz so auffällige – darunter den “Wo-Du-willst”-Job. Ortsflexibles Arbeiten würde die Deutsche Bahn aber nicht nur Frauen, sondern allen Zielgruppen bieten. “Wir sprechen über Diversity in sämtlichen Dimensionen. Vielfalt ist fest in unserer Konzernstrategie verankert.”

Arbeitszeit als Hygienefaktor

Neben höherer Flexibilität entscheidet heute auch die Frage der Sinnstiftung darüber, ob Beschäftigte in einem Unternehmen bleiben oder sich für einen Wechsel entscheiden. Diese Erfahrung macht Hübner in zunehmendem Maße. Entsprechend geht es in Rekrutierungsgesprächen weniger um das Gehalt als vielmehr um die Fragen: “Wo stehst Du am jetzigen Punkt Deiner Karriere, was brauchst Du, um Dich weiterzuentwickeln, was ist der nächste inhaltliche Schritt?” Die Bewerbenden ihrerseits interessieren sich auch immer mehr dafür, ob sie den neuen Job täglich in acht Stunden bewältigen können. “Arbeitszeit ist ein Hygienefaktor geworden. Ich glaube, das war ein großes Learning aus der Coronakrise, dass die Menschen teilweise zu viel gearbeitet haben.”

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Dagmar Hübner
Vor mehr als 20 Jahren hat Dagmar Hübner The People Business gegründet. Ihre Personalberatung besetzt schon lange wichtige Executive Positionen im digitalen Marketing. Sie gilt als diejenige, die nicht nur Kompetenz beweist, sondern auch ein Händchen dafür hat, die richtigen Menschen und Unternehmen in der Agentur- und Marketingwelt auf Corporate-Seite zusammenzubringen. Bevor sie ihre eigene Firma gründete, war sie Human Resources Director bei Leo Burnett, kennt also auch die HR-Seite der Unternehmen sehr gut. Außerdem hat sie von 2015 bis 2018 den HR-Expertenkreis des Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA geleitet. (Foto: Martin Leissl)

Wagner wiederum wird in Bewerbungsinterviews häufig nach der Möglichkeit von Sabbaticals gefragt – und zwar noch bevor es um den Job an sich geht. Was sie darauf antwortet? “Ich sage natürlich ja. Als Arbeitgeber musst Du die Beschäftigten verstehen und entsprechende Angebote machen.” Im “War for Talents” baut sie auch auf Zahlen und Daten. “Gerade wenn ich 25.000 bis 28.000 Personen einstelle, muss ich alle Files durchgucken, muss ich begreifen, wie Recruiting sich bei uns entwickelt, wie der Arbeitsmarkt draußen funktioniert.” Inzwischen habe sie Zahlen über jeden Schritt im Recruiting-Prozess.

KI als Helfer

Außerdem bedient sie sich künstlicher Intelligenz, die sie genau darüber informiert, wo eventuell nachjustiert werden muss, um die nötigen Fachkräfte für das Unternehmen zu gewinnen. Wagner zufolge wird Technik in diesem Zusammenhang ohnehin immer mehr an Bedeutung gewinnen. “AR, VR und Metaverse sind Tech-Themen, die wir für die Rekrutierung sehr gut nutzen können. Die ChatBots dieser Welt werden uns unglaublich viel helfen.”

HR auf C-Level

Um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen, sollte HR zudem auf C-Level als Strategie verstanden werden. Laut Hübner, die auch Unternehmen zu HR-Systemen berät, sind Tools und Mitarbeitende zu den unterschiedlichen Themen nötig. Immerhin gehe es nicht nur um Recruiting, sondern auch um Talent Management, Training und Development. Abschließend betont sie: “HR-Verantwortliche können den Erfolg allein nicht garantieren. Es ist immer auch eine obere Management-Aufgabe und muss mitgetragen werden. Das ist ein wichtiger Aspekt und gehört in die DNA eines Unternehmens.”

Andrea Möller
Autorin Andrea Möller arbeitet als Redakteurin bei Carrer Pioneer. Sie ist seit über 20 Jahren Journalistin, zeichnete lange als Redaktionsleiterin für die Sonderhefte des Journal Frankfurt verantwortlich, bevor sie 2010 den Schritt in die Selbstständigkeit ging. Seither ist sie unter anderem freie Autorin, Kolumnistin und Lektorin für diverse Publikums- und Fachmedien sowie Buchprojekte. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Karriere, Hotellerie, Gastronomie.
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